Mein Dad

Ja da war ich nun, im schönen Allgäu, einer Gegend, die so gar nichts mit meinem Zuhause Berlin zu tun hat und dennoch ein Stück davon hier im Allgäu sich verwurzelt hatte, nämlich mein Dad. Ich weis nicht genau, wie lange er schon im Allgäu lebt, aber seinem Dialekt hat das keinen Abbruch getan; er berlinert nach wie vor und es tut meiner Seele gut, ihm zuhören zu dürfen.

Wie vor langer langer Zeit, Mitte der 80iger, kann ich auch heute noch täglich von ihm lernen. Manchmal ist es immer noch so, als wäre ich noch Mitte Zwanzig, säße mit ihm am Lagerfeuer und er mir Geschichten der Ureinwohner erzählte. Manchmal kann ich den Geruch noch riechen, der mir immer in seinem ausgebauten VW LT, um die Nase wehte; so eine Mischung aus frischen Holz und Holzleim.

Während ich ihm nun, 2022, beim Arbeiten zusehe und feststellte, dass sich nichts geändert hat, während all der Jahrzehnte, selbst sein Aussehen war noch wie immer. Ein bisschen sah er aus wie der Opa von Heidi, alt, grau, seine Haut gegerbt von der rauen Luft der Voralpen, seine Augen strahlend blau und immer noch jugendlich leuchtend, zugegeben, sein Schritt heute nicht mehr so leicht und beschwingt, aber immer noch zielstrebig. Er war so ein Urgestein, damals wie heute, dem man vertrauen konnte, der meinte was er sagte, der seinen Lebensweg unbeirrbar ging und dem man sich gerne anschloss, vor allem wenn man selbst mal vom Weg abgekommen war.

Damals wie heute kam ich gerne mal vom Weg ab und stand dann immer in der Gegend rum, suchte und fand meist auch einen Ausweg, wohlwissend, wenn alle Stricke reißen, mein Dad noch einen Ratschlag parat hatte.

Ich bewunderte schon immer sein Allgemeinwissen. Es gab kein Thema, was er scheute und er sagte stets seine Meinung darüber, ungeschminkt und manchmal auch politisch nicht ganz so korrekt ;-))

Besonders aber lauschte ich schon immer seinen Geschichten der Ureinwohner. Ihre Geschichte, ihren Werdegang und auch ihr heutiges Dasein in den USA.

Aber auch deutsche und europäische politische Themen sparte er nicht aus. Wenn ich jetzt sage, dass er nicht viel redet, ist das kaum mit dem Redefluss in Einklang zu bringen, wenn man seinen Geschichten lauschte. Irgendwie war er auch ein Alleinunterhalten und was auffällt ist, dass er bei all seinen Erzählungen, auch immer nebenbei eine Arbeit verrichtete. Er nähte, stickte Perlen, schlief Messer und ganz viele andere Arbeiten, die man eben so im Halbdunkeln eines Lagerfeuers im Tipi machen konnte. Heute sind es andere Dinge, die er so nebenbei macht, aber dennoch nicht weniger wichtig.

Er ist ein Kümmerer!

Er kümmert sich um eine Vielzahl an Vögel in seinem Garten und alle bekommen ihre Lieblingsnahrung, um die Hühner des Nachbars, die immer schon wild schreiend an den Zaum kommen, wenn er sich nähert, um die Jungkühe, im Gehege gegenüber, die regelmäßig auch schon mal ein paar Äpfel von ihm bekommen und auch um die zwei Füchse, die tagtäglich eine Portion Futter von ihm bekommen. Er kümmert sich um Lederkleider, um Lederhosen, Mützen und Jacken, deren Nähte im Laufe der Jahrzehnte einfach nicht mehr gehalten haben. Er kümmert sich auch um kaputte Tipis und historische Zelte, die er selbst vor gefühlten 100 Jahren selbst genäht hatte und die jetzt, nach vielen Jahren der Benutzung von Ihren Besitzern den Weg zu ihm zurück gefunden haben, um repariert zu werden und mein Dad dann, mit einem gewissen Stolz an seiner Nähmaschine sitzt und repariert, was repariert werden muss.

Ich liebe es in seinem Materiallager im Keller zu stöbern. Dort riecht es nach Fellen und Leder, nach Wachs und Garnen, nach alten Stoffen und nach gegerbten Fettleder. Fremde, die diese „heiligen“ Hallen betreten, sind oft völlig überfordert von der Vielzahl der Kisten, Kästen und Dosen, in denen man oftmals kleine Kostbarkeiten findet. Alles ist wohlgeordnet und sorgsam gestapelt.

Mein Dad, ein Urgestein in meinem Leben, ein Fels in der Brandung, ein Ratgeber und tröstender Freund, ein Mensch, dem ich damals wie heute gerne mein Leben in seine wunderbaren Hände lege, weil er mich versteht, auch wenn ich noch gar nichts gesagt habe! Und das aller wichtigste ist…ich bin bei ihm willkommen!

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